2024.05.08 - Der Stern - Interview with Slash (German)
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2024.05.08 - Der Stern - Interview with Slash (German)
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„Überleben ist auch nicht so schlecht“
Slash, Gitarrist der Guns N’ Roses, hat seine Exzesse lange hinter sich. Ein Gespräch über sehr viel Jack Daniel’s, Stromschläge auf der Bühne - und darüber, wie er seine Mutter mit David Bowie im Bett erwischt hat
Am 29. September 1987 gaben Guns N’ Roses in Hamburg ihr erstes Konzert in Deutschland. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Ich weiß noch, dass uns auf der Straße einige Leute entsetzt anstarrten. Ihre Blicke schienen zu sagen: „Es ist besser, wenn ihr schnell wieder aus unserer schönen Stadt verschwindet.“
Fanden Sie das schlimm?
Uns hat die Ablehnung immer eher angestachelt. Wenn andere im Restaurant den Kopf schüttelten, bestellten wir sofort eine neue Runde. Übrigens war Hamburg auf den zweiten Blick gar nicht so spießig.
Ach ja, wieso?
Auf der Reeperbahn gab es einen Sexshop, in dem ich mir einen Haufen Pornohefte kaufte. Da gab es Sachen zu sehen, die ich in Los Angeles nicht annähernd so gesehen hatte. Ich erspare Ihnen die Details.
Guns N’ Roses pflegten das Image von Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Man sah Sie auf und abseits der Bühne so gut wie nie ohne eine Flasche Jack Daniel’s.
Und das war keine Dekoration, sondern ich habe das Zeug nahezu täglich in mich reingekippt. Wir haben das Klischee der ungezügelten Rockstars ziemlich strapaziert.
Ist Ihnen das heute peinlich?
Kein Stück. Ich habe nur ziemlich lange gebraucht, um zu kapieren: Drogen sind das Gegenteil von Freiheit. Außerdem: Überleben ist auch nicht so schlecht.
Wie lange leben Sie inzwischen drogenfrei?
Seit mehr als 16 Jahren. Aber der Rausch, das viele Geld oder die Frauen waren sowieso nie mein Antrieb, Musiker zu werden.
War war es dann?
Ich wollte Gitarre spielen. In einer Rockband. Und das vor so vielen Leuten wie möglich. Ich bin einer Familie aufgewachsen, in der es nichts Besonderes war, berühmten Künstlern und Musikern zu begegnen.
Ihre Mutter Ola Hudson war eine erfolgreiche Modedesignerin. Sie entwarf Kostüme für Diana Ross und John Lennon. Ihr Vater gestaltete Plattencover für Neil Young und Joni Mitchell. Stimmt es, dass Ihre Mutter eine Zeit lang eine Affäre mit David Bowie hatte?
David war der erste Mann, der nach der Trennung meiner Eltern bei uns auf der Couch saß. Einmal habe ich meine Mutter und ihn sogar nackt im Schlafzimmer erwischt. Aber da war ich erst acht oder neun Jahre alt und konnte mir nicht wirklich vorstellen, was da los war.
Mochten Sie Bowie?
Ich mochte David immer sehr, weil er anständig mit meiner Mutter um gegangen ist und nie versucht hat, den coolen Ersatzvater zu spielen.
Sie haben im Laufe Ihrer Karriere mit Popgrößen von Rihanna bis Bob Dylan gearbeitet. Gab es da keine Begegnung, bei der Sie selbst erstarrt sind vor Bewunderung?
Klar, denn ich bin überhaupt nicht so cool, wie ich mich manchmal nach außen gebe. Als ich vor ein paar Jahren Jimmy Page getroffen habe, bin ich ganz klein geworden, denn er ist einer meiner absoluten Gitarrengötter. Auch mit Michael Jackson zu arbeiten und ein paarmal mit ihm auf der Bühne zu stehen sind für mich Momente für die Ewigkeit.
Bei einem Auftritt mit Jackson in New York wären Sie fast zusammengebrochen. Was war da los?
Eine verrückte Geschichte: Ich habe mit 35 Jahren einen Herzschrittmacher bekommen. Der Auftritt mit Michael war einer der ersten nach dieser Operation. Anscheinend hatten die Ärzte nicht bedacht, dass ich, wenn ich auf der Bühne stehe, einen Adrenalinschub bekomme, der mein Herz viel schneller schlagen lässt. Kurz vor meinem Gitarrensolo bekam ich durch meinen falsch eingestellten Herzschrittmacher einen Mega-Stromschlag.
Hat das niemand bemerkt?
Wahrscheinlich dachten die anderen Musiker und das Publikum, mein verrücktes Zucken gehöre zur Show. Denn die Sache mit dem Stromschlag passierte während des Konzerts noch sechs Mal. Auf Youtube kann man sich heute noch ansehen, wie ich mitten im Solo wie vom Blitz getroffen werde und zucke.
Sie wuchsen in der britischen Arbeiterstadt Stoke-on-Trent auf, bevor Sie einige Jahre später mit Ihren Eltern nach Los Angeles zogen. Es gibt noch einen anderen berühmten Musiker, der aus Stoke-on-Trent stammt: Robbie Williams. Sind Sie sich jemals über den Weg gelaufen?
Um ganz ehrlich zu sein: Als ich Robbie Williams 2002 in Los Angeles über einen befreundeten Musiker kennenlernte, hatte ich auch keine Ahnung, wer er ist. Bei unserer ersten Begegnung sagte er: Hey, du bist Slash! Ich kenne dich! Ich bin Robbie Williams! Ich nickte nur und dachte: Wer zum Teufel ist der Kerl?
Wann haben Sie kapiert, dass Williams einer der größten Popstars Europas ist, der damals Fußballstadien füllte?
Das erste Mal war ich verwundert, als wir in einer Bar in Los Angeles zusammen auf der Bühne standen. Da sprang Robbie spontan als Sänger ein, bei einer Band meines Freundes Toni Morrison, die immer mal wieder in wechselnder Besetzung auftrat. Ich dachte: Hey, das ist dieser komische Typ aus Stoke-on-Trent, der singt echt gut! Das große Aha-Erlebnis kam später in der Nacht. Nach dem Konzert zogen wir alle weiter zu Robbie nach Hause - in einen Palast mit weißen Säulen und einem Garten, so groß wie ein Fußballfeld. An den Wänden hingen unzählige goldene Schallplatten. Da ging mir ein Licht auf. Robbie und ich sind heute noch gute Freunde. Früher haben wir viel Poker gespielt und waren eine Zeit lang sogar mal Nachbarn.
Ihr Sohn London spielt Schlagzeug in einer Band. Versuchen Sie manchmal, ihn zu beraten?
Ich will ihm die größtmögliche Freiheit geben, sich selbst zu entwickeln.
Hatten Sie Sorgen, dass er Musiker werden will?
Nein, wieso sollte ich? Das ist doch ein fantastischer Beruf.
Wenn man Ihre Autobiografie liest, scheint es manchmal ein lebensgefährlicher Job zu sein. Sie erzählen von Drogenexzessen, bei denen Sie fast gestorben wären.
Ich wünschte, ich hätte das Buch nie geschrieben! Jetzt fragen mich immer alle: „Was sagen Ihre Kinder zu Ihren Eskapaden?“ Da antworte ich: „Kein Kind liest das blöde Buch seines Vaters.“ Aber mein Sohn hat es natürlich gelesen. Wenn ich ihm jetzt etwas sagen will, fuchtelt er manchmal damit vor meiner Nase herum. Und ich komme mir vor wie ein Heuchler. Dann halte ich lieber die Klappe und hoffe das Beste.
Bereuen Sie die Exzesse?
Überhaupt nicht. Aber ich bin sehr dankbar, dass ich noch hier bin.
Guns N’ Roses wurden in den I980er-Jahren weltberühmt, als Rockstars noch ungestraft damit prahlen konnten, wie viele Groupies sie ins Bett bekommen. Wäre eine Band wie Guns N' Roses heute noch einmal so erfolgreich?
Ich glaube, manches, wofür wir damals gefeiert wurden, würde heute nicht mehr durchgehen.
Zum Beispiel?
Es gibt einige alte Songs, die heute wahrscheinlich nicht mehr akzeptiert würden. Und das ist in Ordnung, aber ich zerbreche mir nicht den Kopf darüber. Manchmal bin ich nur froh, dass es damals noch kein Internet gab. Das wäre eine andere Welt gewesen. Guns N’ Roses, so wie wir in den ersten Jahren unterwegs waren, hätten die Cancel-Kultur wahrscheinlich nicht überlebt.
Interview: Hannes Roß
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